Die letzten Heiden Europas – Die baltischen Völker vor dem Jahr 1200

(Historischer Aufsatz von Christoph Bitter, Königswinter 2012, Copyright by C. Bitter)

 

                                                              Vorwort

 

Man mag den Titel dieses Aufsatzes möglicherweise als provokant empfinden; Tatsache ist jedoch, dass sich bei allen christianisierten Ländern es die Balten waren, welche ununterbrochen bis heute ihre Naturreligionen, trotz mehrfacher Fremdherrschaft, erhalten konnten.

Mehr noch: Als wichtige Träger der Kultur und des Nationalbewusstseins konnten die Anhänger dieser Naturreligionen schließlich selbst während des Sovjetregiemes die eigene Identität der Völker bewahren und trugen damit nicht unbedeutend zur baltischen Revolution im Jahre 1990 bei.

 Wenn wir die Völker des Baltikums im Hochmittelalter betrachten wollen, so muss uns zunächst klar werden, über welches Gebiet wir sprechen. Das Baltikum bestand im Hochmittelalter nicht nur aus den heutigen Staaten Litauen, Lettland und Estland, sondern war bedeutend Größer:

Es reichte vom Mündungsdelta der Weichsel bis an die südliche Küste des Ladogasees. Wilde, unkultivierte Landschaften der dunklen Wälder, Seen und Sümpfe. Aufgrund dieses Umstandes konnte das kleine Volk der Balten relativ unbeschadet den Wirren der Völkerwanderung entgehen. Unberührt und unbeachtet überstand das Volk die Wirren, welche Germanen, Goten und Slaven im restlichen Europa anrichteten. Bis zu dem bis heute unbekannten Tag, als am Ostufer des Peipus-Sees die wandernden Stämme der Finno-Ugrier ein Zeltlager errichteten und damit das Volk der Esten Fuß im Baltikum fasste (s. Kapitel „Die Esten“). Die ursprünglichen baltischen Völker waren nämlich die Prußen im Gebiet des ehemaligen Ostpreußens, Litauer und mehrere den Letten zuzuordnende Völker.

Weil die Esten von Ursprung, Glaube und Sprache sich deutlich von den restlichen Balten unterscheiden –auch wenn sie sich selber natürlich schon seit Jahrhunderten als Balten ansehen- beginnen wir unsere kleine Forschungsreise in die Zeit und zu einer baltischen Naturreligion mit ihnen.

 

                                               Die Esten – Ein finnisches Volk im Baltikum

 

 

Lange Zeit war in der Forschung ungeklärt, wie dieses finno-ugrische Volk in die Gebiete des heutigen Estlands und des Ingermanlands (Gebiet zwischen Peipus- und Ladogasee) gekommen war. Heutzutage vermutet man, das ungewollt die ungarische Sage „Turul“ eine Antwort gibt. In der Sage zur Entstehung des ungarischen Volkes steht folgendes:

„Nach einer langen Reise gen Westen erreichte das Volk einen unüberwindbaren See. So schlugen sie ihre Zelte auf, um zu beraten, welchen Weg man nehmen solle. Schon bald gab es Streit im Lager, denn einige wollten gen Norden ziehen, andere aber bleiben. Das Volk der Ungarn befragte eine Zaubererin, welcher Weg der bessere sei. Diese sagte voraus, das ein seltsamer Vogel kommen würde, der sie ins Land des Glücks führen würde. Tage vergingen, bis schließlich dieser seltsame Vogel erschien. Und gemäß der Vorhersage der weisen Frau folgten die Ungarn dem Vogel.“

 

Was sagt nun diese Sage wirklich aus? Hier ist keine wirkliche Wissenschaft am Werk, sondern doch eher Vermutung. Der einzige See, der ein wanderndes Volk in westliche Richtung aufhalten kann ist der sich weit von Nord nach Süd erstreckende Peipus-See. Er bildet eine natürliche Barriere für alle, die von Osten gen Westen ziehen wollen. Daher ist sein Ostufer für die Finno-Ugrier als Lagerplatz wahrscheinlich.

Weiter deutet die Sage an, das es Streit gab im Volk. Die einen wollten nach Norden ziehen (Finnen?), die anderen bleiben (Esten?) und die Ungarn folgten dem Vogel. Auch wenn die Vogel-Mär der Ungarn als unwahrscheinlich gelten mag, so haben wir doch in dieser Sage den Streit und auch die Erklärung für das finnische Volk der Esten im Baltikum als diejenigen, welche vor Ort blieben. Nur dies erklärt die Besiedelung des heutigen Estlands und des Ingermanlandes durch finno-ugrische Bevölkerung. Freilich kann eine Sage nie als völlige Wahrheit anerkannt werden, dennoch ist in einer Sage im Gegensatz zum Märchen generell ein Funke Wahrheit enthalten. Leider verschweigen uns die estnische Sage „Kalevipoeg“ oder die finnische Sage „Kalevalla“ diese Informationen, welche uns die ungarische Sage anbietet.

 

                                               Das Zeitalter der Riesen – Könige als Götter

 

Laut der estnischen Sage „Kalevipoeg“ fliegt der finnische Gottkönig Kalev (Altestnische/Altfinnische Bedeutung des Namens ist Kampfgenosse/Führer) nach Estland, um eine Braut zu finden. Nach kurzem Suchen findet er die Riesin Linda, welche er zum Weib nimmt und Kinder mit ihr zeugt, die estnische Herrscherrasse der Kalevieden, wobei der Erstgeborene mit dem einfachen Namen Kalevipoeg (Sohn des Kalev) als Gründer und Schöpfer des Landes selbst auftritt. Während der Vater Kalev im heutigen Burgberg von Tallinn bestattet wird, begibt sich der Sohn auf Reisen nach Finnland, wo er ein Schwert erwirbt zum Kampf gegen ….ja wen? Wieder zurück, erschafft er das Land mit Wäldern, Sümpfen und Seen. Menschen sind allerdings auch schon anwesend.

Während seiner ersten Begegnung mit dem Teufel (Vana-der Alte) -womit die Esten als einziges baltisches Volk einen Teufelsglauben haben- stirbt die Mutter Linda, deren Leichnam der Sohn trotz Suche nie finden wird. Der Held weint und erschafft mit seinen Tränen den See Ülemiste (Obersee) bei Tallinn, welcher bis heute einer der heiligsten Orte in Estland ist.

Bei seinem zweiten Kampf gegen den Teufel kann er diesen Bezwingen und schlägt ihn in Ketten. Wenn man diesen Teufel als ursprüngliche Bevölkerung erkennen will, so ist dieses „in Ketten binden“, also kampflos machen, bedeutend. Denn ein um etwa 380 im eigentlich prußischen Samland gestrandeter römischer Zenturio bezeichnet die dortige Bevölkerung als „Aesten“! Dies würde bedeuten, daß die Esten innerhalb kürzester Zeit Letten und Litauer unterworfen hatten und sogar in prußische Gebiete vorgedrungen sind, was wiederum einige der prußischen Gesetze (siehe „Die Prußen“) erklärt.

Das Gottkönigtum der Kalevieden sollte sich halten, bis in der Mitte des 10. Jahrhunderts die Waräger die ingermanländische Siedlung Alt Ladoga zu einem Handelsposten ausbauten. Dieser Handelsposten sollte entscheidenden Einfluss nicht nur auf die angrenzenden Slaven, sonder auch auf das sich inzwischen als „Ingeri“ bezeichnende estnisch-finnische Volk des Ingermanlandes haben und im Laufe der Zeit auch über alle Esten. Es ist wohl der einzige Fall, wo sich Teile des wikingischen Glaubens in den Glauben eines anderen, unbesetzten Volkes mischen.

 

                                   Thor als assimilierter Hauptgott

 

Mit diesem Thema betrachten wir nicht nur den Glauben der Esten um etwa 950, denn dieser Glaube ist bis heute Aktiv und als einzige Naturreligion in einem EU-Land nicht nur anerkannt, sondern auch akzeptiert als eine der Staatsreligionen.

 

Das Thor, der Donnergott, schließlich Hauptgott wurde hat garantiert auch damit zu tun, dass die verdrängten und anschließenden Nachbarn, die Letten, mit Perkunos einen Donnergott als Hauptgott schon lange vor den Esten anbeteten. Offenbar mit dadurch beeinflusst übernimmt Thor, welcher in Estland Taara genannt wird, den Platz Odins ein. Gestalt und Symbole Thors werden auf den neuen Gott Taara komplett übernommen. Odins Walhalla vermischt sich mit den Tischen des Perkunos zu einem Berg Taaras. Nicht Odin ist Führer der „wilden Jagd“, sondern Taara (mit dem Nordlicht). Odins Attribute als Herr, Schöpfer, Strafer und Helfer der Menschen wird Taara übernehmen. Wie Odin wird sich Taara ebenfalls verkleidet unter die Menschen mischen, begleitet von sechs Wölfen. Diese heiligen Wölfe, von Odin entlehnt, ersetzen im Taara-Glaube andere wikingische Gottheiten in ihren jeweiligen Eigenschaften. So der Kriegswolf (Söjahunt), der Meerwolf (Merehunt) oder der Waldwolf (Metsahunt). Diese Wölfe sind als nicht wenig zu achtende Unter-Gottheiten zu verstehen. Etwa zu vergleichen mit dem hinduistischen Elefanten-Gott, denn Taara setzt die Wölfe nach seinem Willen ein.

 Ab dem Einfluss durch die Wikinger kehrt auch der Gedanke eines Weltendes in die estnische Religion ein. Dieses beginnt, wenn der Teufel, also Vana, der Alte, die von Kalevipoeg angelegten Ketten sprengt. Der wikingische Endzeitglaube ist hierbei deutlich zu erkennen, denn während des Kampfes von Taara und seinen Wölfen gegen Vana stirbt sowohl der Gott, seine Wölfe als auch der Teufel und die Welt wird vernichtet. Nur Taaras Berg bleibt bestehen, wo der gefallene Gott, umgeben von seinen Wölfen, ALLE MENSCHEN, DIE NICHT VANA HÖRIG WAREN, empfangen wird; auf immer. Egal welcher Religion, welcher Zeitperiode und welcher Kaste Menschen also angehören; sie finden im Berg Taaras ihren Platz, wenn sie nicht auf der Seite des Teufels standen! Eine höchst tolerante Einstellung, welche fast zur Vernichtung des estnischen Glaubens führte!

 

 

                                   Beherrscht von Geistern und Dämonen

 

Selbst wenn man den Wechsel von den Gottkönigen der Kalevieden zu dem Gott Taara als Fortschritt ansehen will, so wird auch heute noch der Glaube der Taara-Anhänger von Geschöpfen aus der kalevidischen oder noch älterer Zeit beeinflusst. Die wichtigsten davon sollen hier vorgestellt werden:

 

Küü – Göttin der Seen und Sümpfe:

 

Die Stellung von Küü in der estnischen Naturreligion ist unklar. Teilweise wird sie als Fee und Herrin der Sümpfe und Seen angesehen und damit als Geistwesen, andererseits auch als niedere Gottheit. Klar ist nur, wo ihr Ursprung zu finden ist: Bei der baltischen Fee Laume.

Genau wie Laume lockt sie verirrte Wanderer in die Sümpfe oder unvorsichtige Schwimmer in den Seen ins verderben. Die so Verstorbenen bilden den Wellenschaum der Seen. Als Gottheit allerdings ist Küü auch für die Reinheit und Sauberkeit der Seen zuständig, so dass deren Wasser trinkbar ist. Als Nixe ist Küü ein reines Wasserwesen, deren Schönheit gerühmt wird. Ihre Diener sind unter anderen der Wassermann, welche ihre Aufgaben in kleineren, unwichtigeren Gewässern übernimmt, die „Quellenwitwe“ Lättelesk und deren Töchter, die Flussnymphen Väina-, Kovia- und Narva-tütar.sowie mehrere Ufergeister. Küü ist ein gefürchtetes, aber auch angebetetes Wesen.

 

Jumalihe – Die Verbindung zu den Göttern

 

Bezeichnenderweise bedeutet heute der Name „Jumal“ Gott, womit der christliche Gott der heutigen Zeit gemeint ist.

Jumalihe ist die Göttin der Abendröte, der Name bedeutet nichts anderes als eben „die Abendröte“, was auch ihre Gestalt ist. Bei den ausgeprägten Totenriten der Esten mit etlichen Untergeistern, Dämonen und Wiedergängern spielt sie eine entscheidende Rolle im Totenkult.

Die Verbrennung des Toten hat erst dann zu erfolgen, wenn Jumalihe sich zeigt, um den Verstorbenen sicher zu den Göttern zu begleiten. Erscheint Jumalihe nicht innerhalb eines Monats, muss die Verbrennung des Toten erfolgen. Ohne göttliche Hilfe muss der Geist des Toten dann zu den Göttern finden; ohne Zweifel wird dies so gesehen, dass der Tote bei den Göttern in Ungnade steht. Ohne die Hilfe Jumalihes ist die Gefahr, dass der Tote eine boshafte Spukgestalt oder ein Wiedergänger wird, erheblich höher. Dieser Glaube hat zu einer Entstehung einer Vielzahl übernatürlicher Wesen geführt. Auf den ausgefeilten Totenritus der Esten näher Einzugehen, würde leider dieses Werk sprengen.

 

Rukkihall – Der Roggengraue

 

Für eine auf Ackerbau spezialisierte Gesellschaft wie die Esten ist ein Dämon der das Getreide verdirbt eins der schlimmsten Übel; Rukkihall ist dieser Dämon, doch damit nicht genug: Nicht nur verdirbt der Dämon das Saatgut, mit Vorliebe lockt er auch junge Mädchen in die Felder wo er sie dann tötet. Ein so gefährlicher Dämon hat natürlich dann auch Gegner, dem Menschen wohlgesinnte Geister: Feldvater (Nurme Ezä), Feldmutter (Nurme Imä) und ihre Töchter, die Kornjungfern (Viljaneitsid), an welche auch die Bauern ihre Gebete richten. 

 

Koduhunt – Werwölfe als Schrecken der Esten

 

Im estnischen Glauben tritt der Koduhunt (Menschenwolf) oder Inimesehunt (Wolfsschnäuzige) nie alleine, sondern immer als Gruppe auf, welche generell aus dem Osten kommt. Den Ursprung des Koduhunt in slavischen Angriffen zu sehen, ist daher naheliegend.

Diese Werwölfe können ganze Dörfer zerstören und können Menschen riechen, die mehr als eine Tagesreise entfernt sind. Diesen Dämonen zu entkommen ist nur möglich, wenn man sich ins Meer begibt. Nur das Meerwasser kann den Menschengeruch überdecken, so dass die Werwölfe ihre Opfer nicht mehr riechen können. Doch auch die Menschen im Landesinneren fanden bald Schutzmaßnahmen gegen die Werwölfe: Ein hinter dem Ofen verstecktes Werwolffell wird bei Bedarf auf den Ofen gelegt (Ahjupäälne=der auf dem Ofen befindliche). Die Ausdünstungen des Werwolffells sollte dabei andere Werwölfe vertreiben. Doch Werwolffelle sind schwer zu bekommen und so wurde es bald üblich, vor den Häusern Faulbäume zu pflanzen. Deren intensiver Geruch überdeckt den Menschengeruch und führt die Wolfsschnäuzigen in die Irre.

 

Zu Umfangreich ist die Götter und Geisterwelt der Esten; man könnte ewig damit fortfahren, Götter oder Geisterwesen, Dämonen, Nixen und Feen zu beschreiben. Götter wie Küü haben unwahrscheinlich viele Geister und Diener neben sich. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Dorf- und Hausgötter, Erd- Wald- Berg- Wind- Frostgötter. Überall gibt es dazu noch untergeordnete Geister, Wichtel und andere Geschöpfe; ein schier unendliches Pantheon, von denen sicherlich einige im Laufe der Zeit auch verschwunden sind. Zu all dem kommt auch noch ein nicht geringfügiger Zauberglaube, auch an Zauberer selber.

Die naturverbundene Auffassung hat allerdings große Teile des heutigen Estlands seine ursprüngliche Form bewahren lassen. Großzügig werden Straßen um heilige Heine, Wälder, Sümpfe, Seen, ja sogar um Steine herum gebaut. Wie einst bleiben die als Heilig geltenden Wölfe und auch Elche unbejagt. Schäden verursachten erst die Christen und schlimmer als alle zusammen die Sovjets. Als krassestes Beispiel dient dafür der Burgberg in Tallinn, das heilige Grab Kalevs, wo unbedingt jeder Besatzer, angefangen mit den Dänen, ein Machtsymbol aufbauen musste. Aufgrund der dort Erbauten Kulturdenkmäler wie z. B. Toompea-Burg des Schwertbruderordens oder der Alexander-Nevski-Kathedrale sind Ausgrabungen auf dem Berg heute nicht mehr möglich.

 

                                                               Die estnische Kultur

 

Die Bewohner von Kihnu, eine Insel mit etwa der Größe der Stadt Bremen im südwesten Estlands, zeigen heute noch am deutlichsten den Lebensstil der alten Esten.

Nie richtig erobert, sprechen die Bewohner nicht nur Altestnisch, nein, die gesamte Lebensweise ist auf der kleinen Insel immer noch ursprünglich. Es gibt kein elektrisches Licht, keine Autos, keine Computer und keine Kirche.

Wenn Feste anstehen, wobei die Sonnwendfeier eins der wichtigsten Feste in ganz Estland ist, werden die „Trachten“ angezogen. Kleidung aus längst vergangenen Zeiten, welche auf die Kleidung der alten Esten schließen lassen:

Auf eine Hirschlederhose trägt der Mann ein grobleinernes Hemd, am Hals geschlossen mit einer Bronzespange. Die Frauen tragen ein gleiches Hemd. Statt der Hose allerdings einen mit bunten senkrechten Streifen verzierten Rock. Am Gürtel der Frau hängen, wenn sie verheiratet ist, die Schlüssel des Hauses. Handelt es sich um eine Jungfrau, trägt sie auf dem Kopf einen Kranz, geflochten aus der blauen Feldblume, eins der Symbole Estlands. Der Mann trägt an seinem Gürtel ein Rufhorn zur Erinnerung an den Nationalheld Kalevipoeg. Schmuck, egal ob Armreifen, Spangen oder Ketten, bestehen ausschließlich aus Bronze.

 

Bei den Festen werde alte Lieder gesungen, die meisten davon tragend mit melancholischem, ja traurigen Inhalt. Neuere estnische Lieder sind weitaus in einem fröhlicherem Ritmus gestimmt.

 

Gewohnt wird in groben Blockhäusern ohne Giebelverzierung und mit riedgedecktem Dach. Sehr alte Häuser haben heute noch zwischen den Balken nur eine einfache Lehmabdichtung.

 

Nach den Kaleviden scheint es eine adlige Oberschicht in Estland nicht mehr zu geben. Offenbar war neben den Priestern (Heilige Männer) ein gewählter Dorfvorsteher mit nur geringer Macht das Oberhaupt einer Dorfgemeinschaft. Ein estnisches Dorf an der Küste lebte vor allem vom Fischfang. Im inneren des Landes war Feldarbeit bedeutend. Viehzucht ist zwar vorhanden, im Vergleich zu den anderen baltischen Völkern aber als unterentwickelt zu bezeichnen.

Hauptessen der Esten war in vorchristlicher Zeit neben Fisch daher auch hauptsächlich Graupenbrei. Als alkoholische Getränke dienten gegorener Blaubeer-, Erdbeer- und Preiselbeersaft als eine Art Cider. Selbstverständlich auch Met.

 

Die Bewaffnung in nachkalevidischer Zeit muss primitiv geworden sein und offenbar nur für den Eigenbedarf nützlich. Gefunden wurden primitiv verarbeitete Rundschilde ohne Lederbespannung oder Buckel. Dazu Wurfspieße und sehr wenige Äxte. Die dänische Invasion traf die Esten völlig unvorbereitet.

 

Die Namen der Esten in vorchristlicher Zeit bestanden bei Männern aus dem Vaternamen mit Sohn anhängend und dem Eigennamen. Beispiel: Alevipoeg Erkki. Also Alevssohn Erkki. Bei Frauen gilt das gleiche, wobei aber der Muttername + Tochter genommen wurde. Erst in der Besatzungszeit des Deutschen Ordens ändert sich dies. Gemäß deutscher Gründlichkeit musste ein Vor- und Nachname existieren. Die Esten wählten Baumnamen, Buschnamen, Bäche, Sümpfe, Tiere als Nachnamen. Wahrscheinlich im Sinne von passivem Widerstand. Im Laufe der Jahrhunderte ließen sich viele der fremden Besatzer, ob nun Dänen, Deutsche, Schweden oder Russen in Estland nieder. Nur die Übersetzung des Nachnamens zeigt, ob es sich hier um eine Familie mit urestnischen Vorfahren handelt oder später dort Sesshaft gewordenen Familien aus anderen Ländern. Außer Frage steht, das heute sich alle, außer den Russischstämmigen, als Esten empfinden.

 

                                                               Götterdämmerung

 

Lange bevor militärisch gegen von Esten bewohnte Gebiete vorgegangen wurde, wirkte sich schließlich der warägische Handelsposten in Alt Ladoga doch noch negativ auf die Bevölkerung des Ingermanlandes aus.

Zwar war das Land weiterhin nicht besetzt, doch schien die schwedische Krone um die Jahrtausendwende davon auszugehen, dass das Ingermanland ihnen gehören würde.

Nicht anders ist es zu erklären, dass die schwedische Prinzessin Ingegerd *1001-1050 als Brautbeigabe 1035 eben dieses Land dem Reich der Kiewer Rus beifügt. Der Bräutigam, der Großfürst Jaroslaw I. Wladimirowitsch, genannt „der Weise“ *979/86(1015-1054) errichtet bereits 1037/38 die erste christlich-orthodoxe Kirche in Alt Ladoga und führt von diesem Zeitpunkt ab die Christianisierung der dort wohnenden finnisch-estnischen Bevölkerung der Ingeri durch. Ab diesem Zeitpunkt trennen sich die Wege der Esten und der Ingeri. Erst in den Jahren der deutschen Besatzung 1941-44 finden die beiden Völker wieder zusammen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ingeri schon 400 Jahre lang eine protestantische Minderheit im Russischen Reich. Als die Ingeri, 1939 eine Volksgruppe von 140.000 Menschen, 1945 nach Finnland flüchteten, war dies zu spät. Das besiegte Finnland konnte sich nicht dem Drängen Stalins widersetzen und die Ingeri wurden zurück geführt. Ihre Spur verliert sich in den sibirischen Lagern. Volk, Sprache und Kultur der Ingeri gilt heute als ausgestorben und damit teilen sie sich das Schicksal des baltischen Volkes der Prußen.

 

Von der Christianisierung des benachbarten Ingermanlandes blieben die Esten noch fast über 200 Jahre lang unberührt.

Doch im Jahr 1218 lässt der dänische König Waldemar II., genannt der Sieger *1170 (1202-1241) eine Invasionsflotte in Richtung Estland starten. Grund dafür scheint der Erfolgreiche Kreuzzug der Deutschen gegen die Kuren und Letten 1208 gewesen zu sein (siehe dazu auch „Die Letten“) und deren nun erfolgender Angriff auf die Liven.

Die Dänen landeten zunächst auf der großen estnischen Insel Saaremaa (Ösel), welche sie aber nicht halten konnten. Sie setzten auf das Festland über, wo ihnen von den estnischen Fischern und Bauern nur wenig Gegenwehr entgegen schlug. 1219 erreichten die Dänen das etwas größere Fischerdorf am Grabesberg des Kalev und der Flottenkommandant erkannte schnell die strategisch günstige Lage des Berges. Noch im selben Jahr fand sich der König selbst dort ein und gründete das Bistum Reval.

Bis 1227 hatte Waldemar II nicht nur ganz Estland, sondern auch das lettische Volk der Liven überwunden und offiziell christianisiert. Doch schon 1222 bildete sich eine livisch-südestnische Konföderation gegen die Dänen. Diese wollten lieber unter den Deutschen stehen. Nach Jahrelangen Verhandlungen musste Waldemar II, um einen Krieg mit den Deutschen zu vermeiden, schließlich Livland und Südestland abtreten. Nun war Estland also gespalten: Der Norden wurde von den Dänen beherrscht. Der Süden sowie die Inseln Ösel und Dagö gingen in dem deutschen Land Livland auf. Beide Besatzer führten fast sofort die Christianisierung der Esten durch.

 

Die Insel Kihnu und das von Sümpfen eingeschlossene Land Setumaa mit einer Flächengröße Berlins im südosten Estlands fielen in den deutschen Herrschaftsbereich. Bis heute gelten Kihnu und Setumaa als nie eroberte Gebiete Estlands. Während der Rest Estlands christianisiert wurde und später die Besatzer öfters wechselten, blieben die Insel und das sumpfumgebene Setumaa unangetastet und weitgehend Autonom.

Während der Zarenzeit, etwa um 1850, beginnen die Priester von Setumaa mit der Rückbekehrung der Südesten zu ihrem alten Glauben; wohl gedacht als Widerstand gegen das zaristisch orthodoxe System, mit dem die hauptsächlich evangelischen Esten nichts anfangen konnten. Der Plan ging auf. Heute ist der Süden Estlands fast gänzlich dem Taara-Kult anhängig und hat es geschafft, neben Luthertum, katholischer und orthodoxer Kirche als Staatsreligion anerkannt zu sein. Einzigartig in einem der EU angehörigen Land.

Mir war nicht möglich, die Bezeichnung der estnischen Priester zu ermitteln oder Rangunterschiede zu klären. Als heilige Männer werden sie geschützt.

Riten und Feste werden heute in heiligen Hainen, an heiligen Sümpfen oder Seen durchgeführt und strengstens der Zutritt bewacht.

 

Quellen:

 

Iin, Maret, Privater Brief: „Christliche Expansion in Estland“, Botschaft der Estnischen Republik in Berlin, Berlin 2012

Kreutzwald, Friedrich-Reinhold Dr., Hrsg. Peter Petersen: „Kalevipoeg-Der estnische Nationalepos“, Mayer, Stuttgart/Berlin 2004, ISBN 3-932386-74-4

Loorits, Oskar Prof. Dr.: „Estnische Volksdichtung und Mythologie“, Akadeemiline Kooperatiiv, Tartu 1932

 Schmidt, Alexander: „Geschichte des Baltikums-Von den altern Göttern bis zur Gegenwart“. R. Piper GmbH& Co. KG, München 1992, ISBN 3-492-11518-7

Weber, Robert: „Vortrag über die ungarische Turul-Saga“, Bonn 2011

 

 

                        Die Prußen – Stellvertreter der baltischen Kultur

 

Die Prußen bilden mit ihrer Kultur und Götterwelt den Grundstock auch für Litauer und Letten und müssen daher vor diesen Völkern beschrieben werden. Der Grund dafür ist simpel: Durch die Bernsteinstraße waren sie als erstes baltisches Volk den Römern bekannt und als zähe Gegner führte der Deutsche Orden, bedingt durch die Achtung eines starken Feindes, genau Buch über diese Heiden.

Dadurch bedingt haben wir hier die genaueste Beschreibung eines baltischen Volkes vorliegen. Mit der Beschreibung der prußischen Kleidung, Kultur und Götterglauben erübrigt sich eine Beschreibung bei Litauern und Letten, denn dies ist nahezu identisch.

 

                                               Das Land der Prußen

 

Die Prußen waren in etwa beheimatet in den Grenzen des ehemligen Deutschen Landes Ostpreußen. Das Gebiet erstreckte sich vom Mündungsdelta der Weichsel bis an die Mündung der Memel, vom Frischen Haff bis weit über die masurischen Seen hinaus. Aufgeteilt war das Land in diverse kleinere Fürstentümer, welche waren:

Pomesanien, Warmien, Sassen, Galindien, Pogesanien, Natangen, Barten, Samland, Nadrauen, Sudauen und Schalauen.

Die Länder wurden von mehreren Kunigas (Adligen) beherrscht, welche in den wenigen Dörfern in mit Palisadenwällen umgebenen Langhäusern wohnten, errichtet auf künstlich aufgeworfenen Hügeln. In vorchristlicher Zeit wurde bei Kriegszeiten von der Bevölkerung unter den Kunigas ein Reik (Fürst) gewählt, welcher dann das Volk in den Krieg führte. Bei einer Niederlage hatte dieser sich selbst zu entleiben (ähnlich den japanischen Samurai).

Das einfache Volk bewohnte unterhalb der Burghügel der Kunigas riedgedeckte Holzhäuser mit Vorlauben. Gerne geschmückt mit Giebelverzierungen, wobei weiß angestrichene Pferdeköpfe dominierten.

Ob aber nun ein prußisches Volk in den Krieg ziehen durfte oder nicht, wurde bestimmt vom Kriwen Kriwaito (ähnlich Papst), dessen Sitz im Samland der heilige Wald Twangste (heute Kaliningrad) war. Die gemeinsame Anerkennung des Kriwen Kriwaito verhinderte, dass die Prußen sich gegenseitig bekämpften, was bei den christlichen Ländern des Mittelalters normal war.

 

                                   Der Kriwe Kriwaito und seine Macht

 

Der Kriwe Kriwaito war durchaus nicht im ganzen Baltikum als oberster Herrscher anerkannt. Daher spricht die prußische Sage von ursprünglich 11 prußischen Stämmen, von denen aber Litauer und Letten abgefallen seien.

Die Macht des Kriwen Kriwaito stütze sich vor allem auf die von den Urvätern (die inzwischen Götter waren) gegründeten Gesetze, welche den 10 Geboten von Bedeutung ähnlich sind, aber bei weitem mehr befolgt wurden als in den christlichen Ländern . Diese prußischen Gesetze oder Gebote lauteten:

 

       1. Niemand soll ohne den Kriwen Kriwaito die Götter anbeten. (später galt dieses Gebot für das normale Volk bei allen Priesterkasten). Auch soll niemand aus fremden Ländern einen Gott ins Land bringen. Die obersten Götter seien Perkunos, Potrimpos und Pikollos, da diese das Land gegeben haben.

        2. Um dieser Götter Willen soll dem Kriwen Kriwaito immer gehorcht werden und dieser als oberster Herr anerkannt sein.

       3. Furcht und Gehorsam solle den Göttern dargebracht werden, denn diese würden nach dem Leben jedem Mann schöne Weiber, viele Kinder, gute Speise, süße Getränke, im Sommer weiße Kleider und im Winter warme Röcke geben. Und man würde in großen weichen Betten schlafen und vor Gesundheit lachen. Den Bösen aber, welche den Göttern nicht Ehre erweisen, denen würden sie alles nehmen was sie haben und schlagen, dass sie weinen vor Weh und Angst.

       4. Alle Nachbarvölker, welche die selben Götter ehren und diesen Opfern (gemeint sind Litauer und Letten), sollen geliebt und gefördert werden. Wer sie aber verschmäht, soll von Feuer und Keulen vertilgt werden. Später kommt dazu:

          a) Kommt da Einer in Dein Land, der Böses im Sinn hat und Leute mit sich führt, die bösen Sinnes sind, so töte ihn und alle die da mit ihm kommen. Dies ist im Sinne Perkunos und Du wirst kommen an seinen Ersten Tisch.

          b) Kommt da Einer in Dein Land mit Frieden im Sinn und achtet Deine Götter, so nehme ihn freundlich auf. Führt er sich redlich und will bleiben in Deinem Volk, so soll seine Bitte nicht verwehrt werden. Stirbt er, so wird auch er glücklich den Göttern dienen wie auch Du den Göttern dienen wirst.

       5. Alle Männer dürfen drei eheliche Weiber haben, jedoch nicht mehr.

       6. Geben die Götter, dass da ein Mann ständig krank oder dieser mit kranken Frauen, Kindern, Brüdern, Schwestern oder Gesinde belastet sei, soll der Mann selbst die Entscheidung geben, sich oder andere kranke Personen verbrennen zu lassen. Darüber braucht man nicht zu weinen sondern sich freuen, denn als der Götter Diener wird jeder nach dem Leben von allen Krankheiten befreit sein.

       7. Wenn ein Mann gesund ist und seine Anverwandten und Diener ebenfalls und er dennoch sich oder jemand anderes seiner Familie oder Dienerschaft Opfern will, soll dies erlaubt sein und nicht verhindert werden. Denn dies wird durch das Feuer geheiligt und der Geopferte ist würdig, mit den Göttern zu lachen und mit diesen zu leben.

       8. Wo ein Mann oder ein Weib die Ehe bricht, da soll der Schuldige fern von den heiligen Stätten verbrannt werden. Seine Asche soll auf den Wegen verstreut werden und seine Kinder dürfen niemals in die priesterliche Kaste aufsteigen.

       9. Versagt ein Weib ihrem Mann die ehelichen Pflichten, so soll der Mann entscheiden, ob sie verbrannt werden soll. Falls diese Frau Schwestern hat, so sind diese nicht mehr würdig, in die priesterliche Kaste aufgenommen zu werden, da sie der Verurteilten nicht vermitteln konnten, wie man sich seinem Mann gegenüber verhält.

       10. Berührt ein Mann eine Jungfrau oder eines anderen Mannes Frau an der Scham, so ist es der Frau freigestellt, diesen Mann verbrennen zu lassen, denn er hat eines der heiligsten Dinge gefrevelt.

       11. Wer eine Jungfrau als erstes Heiraten will, soll diese bekommen.

       12. Wer einen Priester der Götter tötet, über den soll die Wut aller Freunde des Getöteten hereinbrechen. Sie sollen darüber Macht haben, ob sie ihn töten oder am leben lassen.

       13. Ein Dieb wird beim ersten Mal mit Rutenschlägen bestraft. Beim zweiten Mal mit Knüppeln. Stiehlt er zum dritten Mal, soll man ihn von Hunden fressen lassen, fernab aller heiliger Stätten.

       14. Niemand soll zu Arbeit gezwungen werden (dieses Gesetz fällt später mit dem Gebrauch von Sklaven eigentlich weg)

       15. Es soll jeder als Kuniga (Adliger) gelten, der mit seinem Pferd schnell ist, im Kampf behende und mutig und vor allen anderen sich in menschenfreundlichen Taten Erweisen wird (Daraus folgte dann, dass im Baltikum sehr gute Pferde gezüchtet und der Schwertkampf geübt wurde)

       16. Wenn einem Mann eine Frau stirbt, soll man ihm bald eine Junge geben, denn es ist nicht gut, wenn dieser Tag und Nacht trauert. Ehe er diese Jungfrau erhält, soll er versuchen, sie geschlechtlich zu gewinnen. Erst dann wird sie ihm zugeeignet und den Göttern zu Ehren ein Hahn und eine Henne verbrannt.

       17. Wenn ein Mann stirbt und ein junges Weib ohne Kind zurück bleibt, dann dürfen sich alle Junggesellen an ihr versuchen, bis sie ein Kind bekommt. Geschieht dies nicht, soll sie Priesterin werden und damit keusch bis zu ihrem Lebensende.

 

 

Die Entstehungszeit dieser den Prußen und bedingt auch Litauern und Letten heiligen Gesetze wird zwischen 300 und 500 nach Christi angesiedelt. Mit „später“ gekennzeichnete Ergänzungen oder Beifügungen ergaben sich um 1000 mit den wikingischen Handelsniederlassungen in Ostpreußen. Im Bezug auf die Wikinger ist Gesetz 4b wichtig, da dieses deren Anwesenheit erlaubt. Gesetz 4a ist im Bezug auf die ersten polnischen Angriffe zu sehen, welche ebenfalls um 1000 begannen. Die Ausgrabungen bei den drei Handelsposten der Wikinger zeigen deutlich ein friedliches Zusammenleben der beiden Völker.

 

 

Gesetz 4a zeigt uns auch die prußsche Vorstellung des Jenseits. Ein Erster Tisch des Perkunos, und zwar für die Krieger, wird genannt. Also gibt es offenbar mehrere Tische und damit auch im Jenseits Rangunterschiede.

 

Obwohl in den Gesetzen auch Frauen gewisse Rechte zugestanden werden, ist ihr Grundton doch sehr patriarchalisch zu nennen. In den Gesetzen nicht festgehaltene Regeln und Bräuche betonen diese Einstellung noch mehr. 

 

                                                           Die Götter

 

Wissenschaftlich ist die Besiedelung Ostpreußens in die Mittlere Steinzeit, etwa 15000 vor Christus, durch Funde nachgewiesen. Bis etwa um 400 nach Christus bestand die Religion der Prußen zunächst aus der Natur an sich, welche als Gesamtgottheit angebetet wurde. Insbesondere Sonne, Mond, Sterne, Donner, Vögel und Pferde.

Während der älteren Eisenzeit bis 400 nach Christus entsteht die prußische Entstehungssage. Als Gründerväter werden die Brüder Waidewud und Bruteno genannt, welche fast biblische Alter von 116 bzw. 136 Jahre erreicht haben sollen. Waidewud wird als erster (und einziger) König über alle Prußen bezeichnet. Bruteno hingegen wird der erste Kriwe Kriwaito.

Im Waldheiligtum Romowe (der Name Twangste gilt nur für den Wald, nicht für den Wohnort im Wald) teilen die heiligen weißen Pferde dem greisen Priester durch ihr schnauben nicht nur mit, das die obersten Götter Perkunos, Potrimpos und Pikollos sind, sondern auch, dass es für König und Priester Zeit wird zu gehen. Die prußischen Länder werden unter den Söhnen Waidewuds verteilt. So erhält der älteste Sohn Litwo (die Nähe zu Lituvia (Litauen) oder dem alten Namen Lettlands (Litwa) ist deutlich zu erkennen), das Land zwischen Memel (Njemen) und Bug. Auch die anderen prußischen Ländernamen sind meistens verbunden mit Namen von Söhnen Waidewuds.

Nachdem sich der König ins reinigende Feuer gestürzt hatte, bestimmte Bruteno seinen Nachfolger und erließ die Gesetze. Anschließend folgte er seinem Bruder nach.

Schon bald werden auch die Brüder zu Untergottheiten und das Pantheon der prußischen Götterwelt steigt auch weiterhin an. Die Hohepriester lassen in die Bäume des heiligen Waldes Twangste Bildnisse der obersten Gottheiten einschnitzen; oft auch als Dreiheit. Im Wald selber wird der Wohnort für den Kriwen Kriwaito, Romowe, erbaut sowie Gebäude für seine Diener und Berater, welche aus Waidelotten bestanden..

 

Als Vatergottheit galt Perkunos, dessen Darstellungsweise stark dem griechischen Gott Zeus glich. Von ihm gab es im ganzen Land verstreute hölzerne Stehlen oder in heilige Eichen geschnitzte Abbildungen. Natürlich waren diese Abbildungen besonders im heiligen Wald Twangste, dem Sitz des Kriwen Kriwaito und den ihm direkt dienenden Priestern, im Übermaß vorhanden. Den Ordensrittern vielen aber mehr die sehr häufigen, dreieckigen Stehlen auf, welche eine Götterdreiheit, Perkunos, Potrimpos, Pikollos darstellten. Diese zu zerstören war das oberste Gebot für die christlichen Ritter; schließlich betete man selber eine Dreiheit an: Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Auf diesen Stehlen hatte Perkunos das bereits oben beschriebene Aussehen. Ihm brachte man Wasser aus den heiligen Quellen und Asche von den ihm geweihten Feuern dar. Hiervon erhoffte man sich Genesung von Krankheiten. Von einem Blitz erschlagen zu werden galt als ein besonderer Gunstbeweis des obersten Gottes.

Potrimpos, ein Jüngling mit Ährenkranz, war der Gott der Fruchtbarkeit und des Wachsens. Ihm war als Tier die Schlange geweiht, wahrscheinlich mit Bezug auf das Abstreifen der alten Haut der Schlange und damit einer neuen Entstehung; ein Symbol, welches man in vielen vorchristlichen Naturreligionen mit diesem Sinn findet. Ihm wurden Brand- und Blutopfer dargebracht. Das es sich hierbei um Menschenopfer handelte, ist auszuschließen. Hierfür scheint die dritte oberste Gottheit, Pikollos, eher geeignet gewesen sein.

Pikollos, abgebildet als ein graubärtiger, hagerer Greis, war der Gott der Qualen, der Furcht und der Strafen. Totenschädel von Menschen und Tieren waren seine Zeichen. Um ihn zu besänftigen, musste man das teuerste Opfern was man besaß. Zwar sind Menschenopfer nicht bewiesen, aber selbst ein noch so wertvolles Pferd hätte ja nicht das Wertvollste eines Menschen gewesen sein müssen. Wie dem auch sei, Funde, welche Menschenopfer belegen würden, gibt es bis heute nicht.

 

Eine einzige Gottheit überlebte schließlich die vom Orden genannte offizielle Christianisierung der Prußen von etwa 1280 samt allen Riten bis in das 16. Jahrhundert hinein. Dies war der Gott Curcho, welcher für die Fruchtbarkeit der Felder stand. Selbst im 1. Christburger Vertrag wird er erwähnt. Wahrscheinlich ist dies das einzige Dokument, in dem ein christlicher Orden die Nennung eines heidnischen Gottes zulässt.

Sein Fest war die sogenannte Bockheiligung, welche auch als die genaueste Beschreibung eines heidnischen Rituals der Prußen zu gelten hat. Hierbei wurde ein Bock auf die heiligen Felder geführt. Bei dieser Frühlingseinsegnung wurden über dem Tier Weihesprüche und Bitten um Fruchtbarkeit aufgesagt. Danach wurde um die Fürsprache des

Gottes Pergribius gebeten, der Laub und Gras wachsen ließ. Diese Fürbitte war allerdings nichts weiter als ein großes Festgelage. Nach der Ernte wurde der Bock dann dem Gott Curcho geopfert, wobei das Fleisch des Tieres an die Dorfbewohner verteilt und drei Tage lang gefeiert und getrunken wurde. War die Ernte allerdings schlecht, so schlug sich das Volk auf die Brust und entschuldigte sich bei diesem Gott, dass sie so schlecht seien, dass er sie mit dieser Strafe belegte. Dann baten sie den Gott Pergribius, ihnen wieder Wachstum zu bescheren, wenn sich das Volk gebessert hatte. Die letzte belegte Bockheiligung fand 1531 statt, als ein Dorf kurzfristig wieder einen Waidelotten gewählt hatte.

Der Kriwe Kriwaito führte diese Bockheiligung für alle Prußen auf dem allerheiligsten Feld Kurkelauk durch.

 

Nicht zu den Göttern, sondern zu deren Dienern zählten die Markopeten (Erdvolk) und Barstucken. Diese als Wichtel anzusehenden Glaubensgestalten waren grundsätzlich verschieden: Die Markopeten lebten in den Häusern und waren den Menschen gut gesinnt. Die Barstucken allerdings hockten in Büschen, Wäldern und Wegesrändern, wo sie darauf lauerten, den Menschen einen Streich zu spielen. Beide waren mit Lebensmittelopfern freundlich zu stimmen. Falls die Markopeten das Lebensmittelopfer im Haus allerdings nicht annahmen, so bedeutete dies schweres Unglück, denn wenn diese das Haus verlassen hatten, bedeutete dies, dass Perkunos, also der oberste Gott, über die Familie erzürnt war und den göttlichen Schutz dem Haus entzog.

 

Dann bestimmte noch eine große Menge meist boshafter Geister das Leben der Menschen. Die bekanntesten dieser Geisterwesen sind die Fee Laume, welche Menschen in die Moore lockte oder Kinder entführte. Die Opfer wurden dann der Fee dienende Irrlichter über den Sümpfen, welche neue Opfer in die gefährlichen Gewässer lockte.

Von der Fee unabhängig wohnte der Topich, eine Art Wassermann, in den Seen. Er lockte unvorsichtige Schwimmer und am Seenrand spielende Kinder in die kühle Tiefe seines Reiches.

Die fürchterliche Würgerin Giltine lauerte am Wegesrand den Reisenden auf und nur großzügige Opfer an die Göttin Guze konnten den Wanderer vor der Würgerin schützen.

 

Eine Vielzahl weiterer Götter und Dämonen bestimmten das Glaubensbild der Prußen, wobei der Mensch nur ein kleines, unbedeutendes Mitglied darstellte und daher neben heiligen Frauen auch eine dementsprechend hohe Zahl von Priestern mit unterschiedlichen Aufgaben und Kenntnissen benötigte.

 

                                               Das prußische Priesterkastenwesen

 

Die Stellung des Kriwen Kriwaito wurde hier schon eingehendst erläutert. Vielleicht sollte noch genannt werden, dass sein Nachfolger meist unter den ihm direkt dienenden Waidelotten oder den Landeskriwen erwählt wurden. Der Kriwe Kriwaito war generell männlichen Geschlechts.

 

-    Die Kriwen: Jedes prußische Land hatte einen Landeskriwen dessen Rang mit dem eines Bischofs gut zu vergleichen ist. Sie verkündeten den Willen des Kriwen Kriwaito im Land, vertraten diesen bei den heiligen Handlungen in den jeweiligen Feld-, Wald- und Hainheiligtümern und sprachen bei besonders schweren Untaten zusammen mit dem betroffenen Kuniga das Urteil über den Täter. Auch die Kriwen besaßen einen festen Stamm an Waidelotten auf ihren jeweiligen Sitzen und empfahlen dem Kriwen Kriwaito bei freien Stellen einen ihrer männlichen Waidelotten. Vom Sitz des Kriwen aus wurden auch Waidelotten ins Land ausgesendet.

-    Waidelotten: Sie sind so ähnlich wie Wanderprediger zu sehen aber mit erheblich größerer Machtbefugnis. Es war die höchste priesterliche Würde, welche eine Frau einnehmen konnte. Aufgabe des Waidelotten war, als Bote des Landeskriwen den Willen des Kriwen Kriwaito den Kunigas und dem Volk mitzuteilen. Ebenfalls hatte ein Waidelotte die Macht, Tulissonen (Männer/Frauen der Heilkunst) oder nach einem ausgefeilten Verfahren Ligaschonen (Seher) zu ernennen. Durch einen Grabfund im 19. Jhd. einer um 1400 beerdigten Waidelottin kennt man die Kleidung einer weiblichen Waidelottin: Ein in das Haar eingeflochtenes ledernes Stirnband trägt ein über der Nasenwurzel hängendes, tropfenähnliches Bernsteinemblem. Die Kleidung besteht aus einem weißen, leinernen bis an die Knöchel reichenden Rock. Dazu trägt die Priesterin einen ebenfalls aus weißem Leinen bestehenden „Schal“, sehr ähnlich dem katholischer Priester, welcher bis zum Saum des Kleides führt. Bestickt war dieser Schal mit runenartigen Symbolen. Leider wurde dieser Fund bei der Bombardierung Königsbergs 1945 vernichtet.

-    Tulissonen: Zauberer, Männer und Frauen der Heilkunst

-    Ligaschonen: Seher, Wahrsager, Märchen- und Sagenerzähler in Begleitung der prußischen Zither. Diese niedere Priesterkaste war nötig für die Totenrituale

 

Tulissonen und Ligaschonen wohnten generell in den Dörfern.

 

Neben diesen den priesterlichen Kasten angehörigen Personen gab es noch diverse heilige Männer und Frauen, meistens Blinde. Eine dieser Frauen wird noch bis weit in das 16. Jhd. Verehrt; Pogesania. Unwissend verehren wir sie heute noch durch das Bleigießen, denn von dieser heiligen Frau stammt ursprünglich dieser Brauch.

 

                                   Das Totenritual und die Beerdigung

 

Der Totenritus war sehr ausgefeilt. Der Leichnam wurde einen Monat im Hause zwischen seinen Anverwandten aufgebahrt, Kunigas und Reiks sogar noch länger. In den Häusern wurde dann nur getrunken und gespielt, bis die Zeit der Verbrennung eintrat. Am Tage der Verbrennung hielt ein Waidelotte oder Ligaschone eine sakrale Weihe über den Verstorbenen ab. Da er die Seele des Toten sehen konnte, stellte er dabei fest, ob diese ins Jeseits übergegangen war. Da man glaubte, dass die Toten im Jenseits das Leben so fortsetzten, wie sie es auf Erden geführt hatten, wurden in die Urne Ohrringe, Spangen und andere Wertgegenstände gelegt. Nach der Bestattung der Urne fanden einige Tage ang Feste und Trinkgelage statt Hauptpunkt dieser Feste war das Wettreiten, bei dem die restliche Habe des Toten eine Meile vom Dorf entfernt an verschiedenen Punkten plaziert wurde. Die Männer des Dorfes ritten dann los und wer einen dieser Gegenstände fand, konnte ihn behalten. Daher waren in Preußen sehr schnelle Pferde auch sehr teuer gewesen.

 Für ein adliges Urnengrab wurde ein Hügel erbaut, auf dessen Boden man Steine in konzentrischen Kreisen legte und in der Mitte eine Art Gewölbe aus vier glatten Steinen, wo dann die Urne plaziert wurde. Daraufhin wurde eine Reihe von Steinen aufgeschichtet in Form eines Ovals, dessen Höhe vom Ansehebn des Toten abhing. Diese Art der Bestattung erhielt sich trotz Verbots bis in die Mitte des 14. Jhd.

 

                                               Krieg und Kleidung

 

Als Krieger werden die Prußen erst um das Jahr 1000 genannt, da in dieser Zeit die Polen oft in ihre Länder eindrangen, diese verwüsteten und Sklaven verschleppten. Wirklichen Landgewinn konnten die Polen allerdings nicht machen. Die ersten prußischen Burgen wurden in dieser Zeit erbaut, welche der Orden später als Grundlage für seine Ordenshäuser nutzte.

 

Das Bronzeportal des Domes zu Gnesen aus der ersten Hälfte des 12. Jhd. Gilt als die älteste erhalten gebliebene Abbildung von Prußen. Die Heiden sind dort mit Speeren, Streitäxten, Schleudern, Dolchen, Schwertern, Rundschildern und hauptsächlich mit bleibeschwerten Wurf- oder Schlagkeulen bewaffnet. Letztere trug man wie Handgranaten an einem Gürtel.

Nach den Überlieferungen waren auf den mit Leder bezogenen Schilden des Adels hauptsächlich Tiere, Tierköpfe oder bestimmte Merkmale eines Tieres wie z. B. Elchschaufel, dargestellt. Ebenfalls besaß nur der Adel Rüstungen aus ledernen Wämsen, Helm und Koller, während das Fußvolk seine normale Tracht trug. Auf der Pforte sind die Prußen mit kurzgeschnittenem Haar, Schnauzbärten, Kitteln, Wämser und Armspangen abgebildet. Während diese Alltagskleidung auf dem gnesener Bronzeportal nicht in allen Einzelheiten klar zu erkenen ist, beschreiben die Ordenschroniken diese deutlicher:

Die Kleidung bestand aus knielangen Gewändern von Leder, Fe3ll und grobem Stoff, die um die Hüfte gegürtet und mit bronzenen Fibeln verbunden wurde. Daneben wurden nach Art der Germanen Hosen getragen, die oft mit dünnen, senkrechten Nähten verziehrt waren. Fell-, Filz- oder Hanfschuhe waren üblich. Der Schmuck bestand aus Bernstein, Eisen oder Bronze hergestellten Ketten, Ohrringen, Spangen und Armbändern.

Wie schon ihre römischen Vorgänger mussten auch die mittelalterlichen Händler mit staunen feststellen, das Gold oder Silber bei den Prußen verpönt waren. Von den Wikingern eingeführte byzantinische oder sarazenische Münzen wurden meist als Hals- oder Armschmuck verwendet, wie diverse Funde in ganz Preußen gezeigt haben.

 

                                   Gesellschaftsordnung, Handel und Brauchtum

 

Zwischen Fürsten und Priestern lebten die freien Bauern, Fischer, Seeleute, Jäger, Handwerker ( insb. Töpfer, Schmiede, Tischler, Bootsbauer, Kunsthandwerker) und Händler, wobei als Kennzeichen einer noch wenig arbeitsteiligen Gesellschaft oft mehrere Berufe in einer Person vereinigt wurden.

Intensiv wurde Ackerbau betrieben, Feldfrüchte geerntet und Bernstein gesammelt. Daneben wurden Rinder, Schafe, Schweine, Geflügel und Bienen gehalten sowie Reitpferde gezüchtet.

Weben und Spinnen war die Aufgabe der Frauen. Als Handelsware wurden Bernstein, Felle, Leder, getrockneter Fisch, Honig und Sklaven im tausche mit Schmuck, Waffen, Tuche und Salz eingehandelt. Größter Handelspartner nach der Römerzeit war vor allem Skandinavien. Aber auch zu Deutschland und Rußland hielten besonders die Samländer Handelsbeziehungen.

Die Familie war streng patriarchalisch geordnet. Meistens durch Tausch mit Vieh konnte der Hausvater seine drei Gattinnen erwerben. Mit Gästen teilten sie gerne ihr Eigentum, wozu auch die Frauen zählten. So zählte es zum guten Anstand, einem unbeweibten Gast eine seiner Frauen zum Nachtlager anzubieten.

Neugeborene Mädchen durften in Zeiten der Not getötet werden, allerdings nur dann, wenn sie noch nicht von der Muttermilch getrunken hatten. Dasselbe widerfuhr Alten und Gebrechlichen.

In den unterschiedlichen Volksschichten gab es verschiedene, festgelegte Sitten und Bräuche. So durfte z. B. Nur der Adel und die Priesterschaft gegorene, blutuntermischte Stutenmilch trinken, welche auch in einem ausgeklügelten Trinkritual Gästen angeboten wurde.

Unbegüterte und Sklaven durften als alkoholisches Getränk ausschließlich nur Met trinken. Das Hauptgetränk der Freien war der heutige Bärenfang (Meschkinnes). Dem Alkohol sprachen die Prußen anscheinend stark zu, denn christliche Prediger verurteilten deren „Trunksucht“, bezeichneten dies sogar als prußischen Brauch. Richtig ist, daß die Prußen keine Gelegenheit ausließen, um rauschende Feste zu feiern. Wurde zum Beispiel in einer Pferdezucht ein weißes Pferd geboren, so trauerte man nicht darum, dass nun ein Tier an die Götter verloren sei sondern feierte den Umstand und die Ehre dieser Geburt entsprechend, während man das Tier in die Freiheit entlies. Auch die Unantastbarkeit bester weißer Pferde von Seiten der Prußen war für die christlichen Eroberer nicht nachvollziehbar.

Beschreibungen von prußischer Volksdichtung, Liedern oder Tänzen sind leider nicht erhalten geblieben. Was den Orden nicht interessierte, wie auch die Kleidung der Frauen, schrieb er nicht auf. Und die Schrift war den Prußen gänzlich unbekannt.

 

                                   Erste christliche Missionsversuche

 

Adalbert von Prag *956 + 997 gilt noch heute als Schutzheiliger Preußens und als Märtyrer.

Die Wahrheit über diesen ersten Missionar in Preußen ist aber lange nicht so glänzend, wie seine Titel vermuten lassen.

996 erhält dieser Bischof von Prag von Kaiser Otto III in Mainz den Auftrag zur Missionierung der Prußen. In Polen angekommen, gibt ihm der Herzog Boleslaw I. Chroby eine kleine bewaffnete Einheit mit und taucht schließlich mit seinen „12 Jüngern“, womit ihm hörige Mönche gemeint sind, im Frühjahr 997 in Danzig auf. In der Meinung, es hier schon mit Prußen zu tun zu haben, predigt er den dort wohnenden heidnischen Kaschuben, welche de Facto dem polnischen Herzog unterstehen. Adalbert kann an die 200 Kaschuben dem christlichen Glauben zugewinnen und belässt die polnischen Truppen dort, während er mit seinen zwölf Jüngern Pomesanisches Gebiet betritt und damit wirklich prußisches Land.

Wie bei den Kaschuben predigt er in dem ersten pomesanischen Dorf, welches er betritt, die frohe Botschaft auf Latein. Doch man versteht ihn nicht, spottet über ihn und seine in „Lumpen gekleideten“ Anhänger und jagt ihn aus dem Dorf. So schnell ist Adalbert aber nicht bereit aufzugeben. Schon predigt er in der unverständlichen Sprache im nächsten pomesanischen Dorf. Mit Kuhmist beworfen, als harmloser Irrer verrufen, zieht Adalbert von Dorf zu Dorf. Sein Ruf ist bald in ganz Pomesanien bekannt, während seine Anhänger aufschreiben, er hätte in kürzester Zeit an die 5.000 heidnischer Prußen bekehrt. Das wäre die gesamte Bevölkerung Pomesaniens gewesen.

Tatsache ist, das niemand seine lateinischen Messen ernst nimmt sondern das ganze eher als Volksbelustigung angesehen wird. Die Tracht des Bischofs und seiner Anhänger entsprechen eben die eines prußischen Bettelmannes. Und er redet irr.

Der Spaß ist vorbei, als Adalbert bei Elbing unbedingt ein heiliges Feld betreten will. Ein Waidelotte warnt ihn noch, das er als Ungläubiger dieses Feld nicht betreten darf.

Doch Adalbert will den Beweis erbringen, daß die heidnischen Götter ihm nichts anhaben können,. Immerhin lässt er seine Jünger am Feldesrand stehen.Während Adalbert für die Schändung des Heiligtums von dem Waidelotten erschlagen wird, bleiben diese unangetastet und können frei abziehen. Von ihnen wird die Missionarstätigkeit Adalberts heftig übertrieben und selbst sein Tod .

 

Nach mehreren Versuchen anderer Missionare, welche aber oft noch nicht mal die Länder der Prußen erreichten, ist erst wieder 1206 der einfache Mönch Christian zu nennen, bei dem es sich angeblich um den Abt Gottfried aus dem Zisterzienserkloster Lekno handeln soll.

Angeblich soll er erhebliche Erfolge bei seiner Missionierung erreicht haben (wahrscheinlich in Pomesanien), wodurch er von Papst Innozenz III nach Rom berufen wurde, um dort offiziell den Titel eines Bischofs von Preußen zu erlangen.

Während dieses Aufenthalts Christians in Rom stoßen wir erstmals auf zwei Personen, welche in der späteren Zeit Einfluss auf die Prußen und ihre Geschichte haben sollen: der pommersche Fürst Swantopolk II und der als grausam und anmaßend beschriebene polnische Herzog Konrad I von Masowien.

Kaum war nämlich der Mönch nach Rom abgereist, so verlangten die Fürsten von den frisch bekehrten Prußen als oberste christliche Herren harte Frondienste. Dies führte sofort zu einem Aufstand, wobei die Prußen nicht nur alle christlichen Niederlassungen in ihrem Land vernichteten, sonder darüber hinaus polnische und pommersche Gebiete überfielen und plünderten. Das mühevolle Wirken des neuen Bischofs Christian war zerstört.

 

                                               Das Problem der Polen

 

Die ersten bewaffneten Christianisierungsversuche erfolgten ab 1200 durch das polnische Herzogtum Masowien, welches an die prußischen Länder Pomesanien, Sassen, Galindien und Sudauen angrenzte. Diese Feldzüge hatten weder einen Erfolg in der Bekehrung, noch in Landgewinn. Die verschleppung prußischer Gefangener als Sklaven nach Polen schürte eher den Widerstand der Prußen gegen den christllichen Nachbarn. 1216 endete ein Angriff für die Masowier schließlich in einer Katastrophe: Der Kriwe Kriwaito hatte einem gemeinsamen Schlag der prüßischen Grenzfürstentümer gegen die Polen zugestimmt, um die Überfälle der Polen endgültig zu Beenden. Die Prußen eroberten bei ihrem Rückschlag nicht nur das zu Masowien gehörende Kulmer Land sondern zogen plündernt und brandschatzend durch ganz Polen bis vor die Tore der Königsstadt Krakau. Die Belagerung der Stadt war zwar nur von kurzer Dauer, dennoch kehrten die Prußen mit erheblichem Beutegut zurück. Im Kulber Land begannen sie Burgen zu erbauen und siedelten erstmals Menschen dort an. Pomesanien grenzte von nun an nicht mehr an Masowien, vielmehr genügte nun das Kulmer Land den Prußen als vorgeschobener Posten, der jegliche Angriffe der Polen sofort hart bestrafte.

 

Der prußische Rachefeldzug hatte Masowien und seinen Herzog Konrad in eine bedrohliche Situation gebracht. Überfälle auf die Prußen waren nicht mehr möglich. Der Herzog musste sich auf Grenzsicherung konzentrieren und darauf, dass das Kulmer Land jedenfalls nicht gänzlich von Prußen besiedelt wurde. Zusammen mit Bischof Christian trafen sich der Herzog und der päpstliche Legat Wilhelm von Savoyen 1225 in Kulm um die Situation zu besprechen. Der Legat schlug hier dem Herzog vor, durch die Gründung eines geistlichen Ritterordens den Weg der gewaltsamen Christianisierung durchzuführen. 1226 wurde der „Orden der Ritter Christi“ gegründet mit den Regeln des livländischen Schwertbruderordens. 14 Ritter wurden angeworben und ein gewisser Bruno wurde zum Meister des Ordens ernannt, der sich bald aber schon umbenannte in „Ritterbrüder von Dobrin“, denn im Gründungsvertrag schenkte Herzog Konrad dem neuen Orden die Burg Dobrin an der Grenze zu den Prußen. Alles eroberte Heidenland sollte zwischen dem Orden und dem Herzog geteilt werden. Schon der erste Angriff des Dobriner Ordens endete in einer Katastrophe:

Einzig 5 Ritter überlebten den Rachefeldzug der Prußen und konnten nur mit Mühe die Burg Dobrin halten. Dafür brannte halb Masowien und der Orden wurde handlungsunfähig.

 

                                               Krieg und Unterwerfung

 

Nach dem Scheitern des polnischen Dobriner Ordens berichtet Bischof Christian dem masowischen Herzog vom Deutschen Orden und dessen Wirken zur Verbreitung des Christentums. An der Spitze einer kleinen Gesandtschaft trifft der Bischof 1226 bei dem Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza ein und erläutert diesem das Angebot Herzog Konrads von Masowien:

Schenkung des Kulmer Landes und alle eroberten heidnischen Gebiete sollten dem Orden gehören. Diesen Vertrag ließ sich der Hochmeister von Kaiser Friedrich II bestätigen (Goldene Bulle von Rimini). Noch im selben Jahr wurden erste Ritter nach Masowien gesendet, um sich dort schriftlich die Schenkung des Kulmer Landes bestätigen zu lassen.

1227 besetzen diese Ritter eine kleine hölzerne Burg, welche Vogelsang genannt wird. Mit den ersten eintreffenden Truppenkontingenten wird diese Burg 1228 zu klein und man erbaute am linken Weichselufer die Burg Nessau. Planung, Sammlung von Truppen im Reich und deren Marsch nach der Burg Nessau brauchten ihre Zeit. Doch schließlich verkündete Papst Gregor IX. 1230 den Kreuzzuug gegen die Prußen. Landmeister Hermann Balk beschränkte sich zunächst auf die Eroberung prußischer Burgen im Kulmer Land. Nach etwa 2 Jahren war das Land fest in der Hand der deutschen Ritter. Bischof Christian zog indessen predigend in Pomesanien ein, wurde dort überfallen und zum Kriwen Kriwaito ins Samland verschleppt.

Erst 1234 ermahnte der Papst die Kreuzfahrer, endlich etwas zur Befreiung des Bischofs zu unternehmen. Als im Winter des selben Jahres die Sümpfe und Seen Pomesaniens zugefroren waren, setzte das Heer sich in Bewegung und betrat erstmals urprußisches Gebiet.

Dieser erste Angriff der Kreuzzugstruppen unter der Leitung des Deutschen Ordens und mit Unterstützung der Herzogtümer Pommern Masowien führen Anfangs nicht nur zu einer Verwüstung Pomesaniens, sondern auch Pommerns durch mehrere Rachefeldzüge der Prußen. Letztendlich rückt das Kreuzfahrerheer aber immer tiefer in prußisches Gebiet vor. Den kämpfenden Truppen folgen Angehörige des Dominikanerordens, deren Aufgabe es war alle zu taufen, welche die Angriffe überlebten oder sich ergaben. Bis 1240 gerieten nach mehr oder weniger starkem Widerstand die prußischen Länder Warmien (später Ermland), Natangen und Barten unter deutsche Herrschaft. Damit endete zunächst der Feldzug des Deutschen Ordens. Das Samland, Nadrauen, Schalauen, Galindien, Sassen und Sudauen blieben noch unerobert unter der Herrschaft des Kriwen Kriwaito.

Den bezwungenen Prußen wurden noch keine großen Zwangsaufgaben auferlegt. Für den Burgenbau hatten die Withinge (christianisierte prußische Edle) einige Bauern zu stellen, die Stelen der Götter waren zu entfernen, heilige Haine, Wälder und Felder niederzubrennen. Diese letzte Forderung führte sicherlich zu Unmutsbekundungen. Schlimmer traf die Prußen aber der Befehl, nur eine feste Gattin zu haben und die unchristlichen rauschenden Feste zu unterlassen. Auch die Gesetze durften nicht mehr angewendet werden. Tote hatten unter christlichem Ritus bestattet zu werden. Die Verbrennung war nicht mehr erlaubt. Dazu kam noch, dass es allen Prußen, selbst den Withingen, nicht gestattet war, in den Deutschen Orden einzutreten. Auch musste der Withing, einst ein Kuniga der in seinem Dorf das Recht sprach und über Tod oder Leben entscheiden konnte, sich mit der Niederen Gerichtsbarkeit abfinden. Komture und Vögte des Ordens oder angesiedelte deutsche Ritter mit dem Titel des Freiherrn hatten rechtlich mehr zu sagen als der alteingesessene prußische Edle. Die Unzufriedenheit wuchs besonders bei den Withingen; schließlich handelten sie und der erste prußische Aufstand brach 1241 aus. Die aufständischen, vom Orden beherrschten prußischen Länder wurden hierbei von den noch freien prußischen Gebieten sowie von Herzog Swantopolk II von Pommern unterstützt, welcher sich diesmal gegen den Orden stellte.

In den ersten drei Jahren konnten alle Erfolge des Deutschen Ordens zunichte gemacht werden. Ein unüberlegter Angriff des Herzogs 1243 auf das Kulmer Land um auch die letzten Deutschen zu vertreiben scheiterte jedoch und endete in der Kapitulation Swantopolks.

Die Prußen waren damit auf sich allein gestellt und widerstanden dem sich ständig aus dem Reich erneuernden Ordensheer bis 1249.

Als gleichberechtigte Gegner trafen sich unter dem Vorsitz des päpstlichen Legaten die Anführer des Aufstandes mit den Vertretern des Deutschen Ordens auf der Ordensburg Christburg. Der „Christburger Vertrag“ enthielt nun folgende Bestimmungen:

 Die am Aufstand beteiligten Stämme der Prußen aus Warmien, Pomesanien und Natangen unterstellten sich der Ordensherrschaft. Man verpflichtete sie zu regelmäßigen Kirchgang und sonntäglichen Arbeitsruhe. Weiter wurden Heeresfolge und der Bau von 21 Kirchen verlangt. Ebenfalls verpflichteten sich die Prußen, jeden Verrat und Verschwörung gegen den Orden zu unterlassen und anzuzeigen sowie Leib, Leben, Ehre und Recht der Ordensbrüder mit größtem Einsatz zu verteidigen. Dafür erhielten die Prußen die soziale Gleichstellung mit den deutschen Siedlern, persönliche Freiheit und Sicherheit ihres Besitzes zuerkannt. Die Gleichberechtigung vor weltlichen und geistlichen Gerichten wurde anerkannt. Der Eintritt in den priesterlichen Stand und der Ritterschlag wurden zugesagt. Wer aber die Gebote Gottes missachtet, Heidenkult betreibt oder Verrat am Orden begehen würde, sollte umgehend Freiheit oder Leben verlieren.

 

Für kurze Zeit konnte der Deutsche Orden damit in den besetzten Gebieten den Frieden wieder herstellen. Die Söhne der pußischen Edlen wurden sogar nach Magdeburg gesendet, wo sie deutsche Kampfkunst und Taktik erlernten und auch den Ritterschlag erhalten konnten.

 

Erst 1253 kam es zu erneuten Kampfhandlungen zwischen dem Orden und den Prußen. Der Orden musste unbedingt den Bestrebungen des norwegischen Königs Haakon zuvor kommen, der mit dem Papst bereits in Verhandlungen über den Besitz des Samlandes stand. Also griff der Orden das Samland an, um den Norweger vor vollendete Tatsachen zu stellen. Hieraus entwickelte sich ein Krieg gegen alle noch freien prußischen Länder. 1255 wurden nach erbitterten Kämpfen die Heiligtümer Kurkelauk, Romowe und Twangste in Schutt und Asche gelegt und der Kriwe Kriwaito flüchtete an einen unbekannten Ort. 1256 waren alle prußischen Länder in dem Besitz des Deutschen Ordens, doch damit noch lange nicht befriedet und christianisiert. Immer wieder gab es kleinere Aufstände. Einer davon führte bei dem Dorf Durben zur zweitgrößten Niederlage des Deutschen Ordens und zum zweiten Aufstand. Unter der Führung von in Magdeburg in deutschem Kriegswesen ausgebildeten Reiks und mit dem Segen des Kriwen Kriwaito begann ein diesmal von allen Prußen durchgeführter Aufstand gegen die Deutschen. Bis 1272 starben tausende deutscher Siedler und Neubekehrte, welche besonders hart gefoltert wurden als Verräter am eigenen Volk. In den Anfangsjahren waren die Prußen, welche wieder ein militärisches Bündnis mit Herzog Swantopolk II von Pommern eingegangen waren, allerdings auch von Fürst Mindaugas von Litauen und Großfürst Alexander Nevski von Novgorod unterstützt wurden, höchst erfolgreich und standen öfters kurz davor, den Deutschen Orden völlig zu vertreiben. Doch schließlich wurden sie bezwungen; die charismatischen Führer waren im Kampf gefallen, wurden ermordet oder letztlich verraten. Diesmal gab es für das unterlegene Volk keinen Vertrag mehr, denn nach dem Christburger Vertrag trat mit dem Aufstand eine dort festgehaltene Klausel in Kraft: „Jede prußische Landschaft und Einzelperson, die vom Orden abfallen sollte, verliert die versprochene Freiheit für immer gänzlich.“Als nunmehr Rechtlose wurde den Prußen ein neuer Vertrag vom Deutschen Orden diktiert. Zukünftig durften die Prußen ihre Dörfer nur noch für niedere Dienstleistungen für den Orden verlassen, zu denen sie in Dauer und Ausmaß unbeschränkt verpflichtet waren. Deutsche Städte und Siedlungen durften Prußen nicht betreten. Die Felder der prußischen Bauern waren erheblich kleiner als die der deutschen Bauern, trotzdem mußten sie die gleichen Abgaben entrichten.

 

Ab 1272, dem Jahr, welches der Deutsche Orden als glorreiches Datum der völligen Unterwerfung der Prußen und deren kompletter Christianisierung nennt, leben die Prußen am Existenzminimum mit weniger Rechten als die Indianer in den USA in ihren Reservaten. Dem Einzigen, dem es in einem prußischen Dorf besser ging als allen anderen war der sogenannte „Kämmerer“, eine Art Polizist, dem ein paar Freihaken zugestanden wurden. Dafür hatte er Abgaben und Schulden einzutreiben und an den Orden abzuführen. Und ein offenes Ohr zu haben, um selbst kleinste Anzeichen von Verschwörung sofort zu melden. Dieser Stasi-Pruße bildete zusammen mit dem „Tolken“ dem Dolmetscher, die einzige Verbindung zwischen den Prußen und dem Orden.

Einzig der prußische Adel blieb von allen Zwängen befreit und kämpfte mit dem Orden auch gegen ihre Landsleute, denn mit dem Jahr 1272 waren noch immer nicht alle Widerstände beseitigt. 1280, ganze 46 Jahre nach dem Einmarsch der Kreuzfahrertruppen auf prußisches Stammland, endete auch der letzte noch belegte militärische Widerstand.

 

                                                           Abschluss

 

Ein an der Armutsgrenze lebendes Volk bekam von den Siegern natürlich schon bald einen abwertenden Namen. Das Schimpfwort „Pruzze“ der deutschen Siedler ist heute bekannter als der richtige Name dieses Volkes. Sogar gestandene Autoren benutzen dieses Schimpfwort als Volksbezeichnung.

 

Selbst nach ihrer angeblich völligen Christianisierung und Unterwerfung blieb bei den Prußen ein gewisser widerstand vorhanden, was die Ernennung eines Waidelotten im 16. Jhd beweist und auch vom Orden schriftlich festgehalten wurde.

 

Oft wird behauptet, der Deutsche Orden hätte die Prußen ausgerottet. Dies entspricht nicht der Wahrheit. Der Orden hatte kein Interesse daran, günstige Arbeitskräfte zu verlieren. Vielmehr wurden die Prußen durch die deutschen Siedler sozusagen assimiliert durch Eheschließungen. Der letzte reine Pruße starb 1798.

Zeitzeugen aus dem damaligen Reichsgebiet Ostpreußen sagen auch aus, dass vor allem die alten Masuren noch in einer unverständlichen Sprache sprechen konnten. Es kann daher durchaus möglich sein, dass sich wie in Litauen, Lettland und Estland auch in Preußen ein Kult des alten Glaubens erhielt, womit letztlich erst die Vertreibung 1945 auch den letzten Rest prußischer Kultur vernichtete.

 

Quellen:

 

Bitter, Christoph: „Der Deutsche Orden – Seine Anfänge in Preußen bis zum Bau der Marienburg“, Vortrag für IG-Orden Seminar Oberhausen 2003, Bonn 2003

Gerlach, Heinrich: „Nur der Name blieb – Glanz und Untergang der alten Preußen“; Econ Verlag GmbH, Düsseldorf/Wien 1978, ISBN 3-430-131839

Kopp, Hans-Ulrich: „Das Volk der Prußen“; Tolkemita-Heft 24, Vortrag der 13. Baltischen Konferenz, Lüneburg 1987, Prußendeutsche Gesellschaft Tolkemita, Landhaus Vogelsang, Dieburg 1988

Kurowski, Franz: „Der Deutsche Orden – 800 Jahre ritterliche Gemeinschaft“; Nikol Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg 1997, ISBN 3-933203-27-9

Litauisches Kulturministerium (Hrsg.): „Litauischer Bernstein“; Verlagshaus Baltos Lankos, Vilnius 2007, ISBN 978-9955-23-097-7

Oßwald, L.: „Wie Alt-Preußen bekehrt und Ordensland wurde“; Ludendorffs Verlag GmbH, München 1934

Steegen, Carl-Friedrich von: „Unter dem Donnergott Perkunos – Streifzüge durch Ostpreußische Vorgeschichte“; Schild-Verlag GmbH, München 1986, ISBN 3-880014-086-3

 

 

                                               Die Litauer - Die Unbesiegten

 

Die Anfangsgeschichte der Litauer geht mit der prußischen Geschichte konform. Auch in Kleidung, Tracht und Glauben gibt es keinen Unterschied. Selbst die Sprache soll der prußischen Sprache sehr ähnlich gewesen sein.

 

Die Trennung zu den Prußen erfolgt erst mit dem Helden Litwo, der als Gründer des litauischen Reiches gilt. Nach der Sage überfällt er seinen Bruder Nadro, den Fürsten über Nadrauen, und erschlägt ihn. Als Brudermörder wird Litwo aus der Gemeinschaft der preußischen Geschwisterstämme verstoßen. Hieraus erfolgt die Trennung Litauens zu den Prußen. Die litauischen Fürsten übernahmen selbst das Hohepriesteramt für ihr Volk und unterstanden damit nicht mehr dem Kriwen Kriwaito.

 

                                               Das Land Litauen

 

Wie es zu der Abspaltung der lettischen Gebiete von Litauen kam ist unbekannt. Fest steht nur, das die lettischen Länder bei Eintreffen der Christen schon nicht mehr mit Litauen verbunden waren. Somit ergibt sich für 1200 ein Bild Litauens, welches weitestgehend den heutigen Grenzen des Staates entspricht. Nur der Küstenabschnitt war damals erheblich geringer, da das lettische Kurland viel weiter in den Süden reichte als heute und das Memelgebiet zu dem preußischen Land Schalauen gehörte.

Betrachtet man die Grenze Litauens heute, so muss man das Land nochmals in einen nördlichen und einen südlichen Bereich teilen. Der Süden mit der Hauptstadt Vilnius unterstand uneingeschränkt den litauischen Fürsten. Der Norden aber und damit die gesamte Küstenregien gehörte dem Volk der Schamaiten an. Dieses Volk erkannte den litauischen Fürsten zwar als obersten Herrn und höchsten Priester an, ließ sich jedoch nicht zu Abgaben, Kriegsdienst oder ähnlichen Dingen vom Fürsten zwingen. In etwa sind die Schamaiten zu vergleichen mit den Schotten der Cromwellära, nur mit dem Unterschied, dass diese sich nicht Bezwingen ließen. Während im Süden Litauens Ackerbau und Viehzucht überwiegten, bestand die Haupttätigkeit der Schamaiten aus Piraterie. Bevorzugte Opfer waren hierbei wikingische Handelsschiffe, welche von den preußischen Handelsorten Richtung Ladogasee fuhren. Hierbei konnten die Schamaiten Bernstein rauben, welcher nur spärlich an der litauischen Küste gefunden wurde. Selbst mit dem Raubgut konnte man in Litauen gerade seine Priesterkaste damit ausstatten. Schon für Opferkulte oder Heilverfahren reichte der litauische Bernstein nicht aus, was zum Handel mit den Prußen die Litauer zwang.

 

                                               Litauer und Christen

Wie Preußen und Lettland besteht auch Litauen anfangs aus mehreren Kleinstfürstentümern. Erst Fürst Mindaugas 1203(1238-1263) konnte die Fürstentümer außer Schamaiten unter sich einen und wurde Großfürst. Allerdings wurde sein Land von den lettischen Ländern, dem nun Livland genannten Gebiet, von dem dortigen Schwertbruderordern öfters angegriffen und er sah voraus, dass die noch freien preußischen Länder sich nicht lange halten konnten. Um nicht in eine Zange zu geraten, läßt er sich 1251 Taufen und verspricht, auch sein Volk dem christlichen Glauben zuzuführen. Nichts deutet darauf hin, das Mindaugas wirklich versucht hat, sein Volk dem christlichen Glauben nahezubringen. Immerhin erhält er eine kurze Atempause und wird für kurze Zeit sogar von Papst Innozenz IV. zum König ernannt. Zum Zeichen seines guten Willens schenkt er sogar dem Deutschen Orden das ihm nicht gehorchende Schamaiten. Doch als bei der Schlacht von Durben 1260 vor allem die Schamaiten ausschlaggebend sind für die Vernichtung des Deutschordensheeres, wendet er sich wieder vom Christentum ab. Bis zu seinem Tod 1263 unterstützt er den 2ten preußischen Aufstand mit Waffen- und Lebensmittellieferungen. Seine Nachfolger nehmen den Zangengriff des Deutschen Ordens von preußischem und livländischen Gebiet in Kauf. In den christlichen Ländern entsteht eine neue Art des Kreuzzugs: Die sogenannte „Litauenfahrt“, welche später zu einer Art Jagd des europäischen Hochadels verkommt. Der Deutsche Orden hatte kein Interesse daran, die Litauer wirklich zu unterwerfen und zu christianisieren nach dem Fall Preußens. Die heidnischen Litauer waren seine Existenzberechtigung. Also beschränkte man sich auf Verwüstungen von Dörfern, um den hochadeligen Kreuzfahrern etwas zu bieten,. So wäre es sicher ewig weiter gegangen, wäre da nicht Polen gewesen.

 

                                   Die Erbschaft des polnischen Throns

 

1362 wurde Jagiello geboren und wurde bereits 1377 Großfürst von Litauen. Mit dem Tod des polnischen Königs war die junge Königin Jadwiga (Hedwig) wieder frei auf dem Heiratsmarkt des europäischen Hochadels verfügbar und es gab einige Interessenten. Die Königinmutter Elisabeth lehnte alle ab und wünschte sich den litauischen Großfürsten als Gatten ihrer Tochter unter der Bedingung, das dieser ein Christ wurde. Diesem doch enormen Machtzuwachs konnte Jagiello nicht widerstehen und er lies sich taufen, um dann als Wladislaw II, Jagiello ab 1386 zusammen mit Jadwiga bis zu deren frühen Tod 1399 Polen zu beherrschen. Großfürst von Litauen wurde ab 1392 sein Vetter Vytautas (besser bekannt als Witold). 1401 übergab Jagiello seinem Vetter die alleinige Herrschaft über Litauen unter der Bedingung, das litauische Volk nun wirklich zu christianisieren. Damit wurde nicht nur dem Deutschen Orden seine Existenzgrundlage entzogen, sondern auch eine polnisch-litauische Union über Jahrhunderte geschlossen, welche letztlich für das litauische Volk nicht gut ausging.

 

                                                           Abschluss

 

Militärisch Besiegt wie die restlichen baltischen Völker wurde Litauen nicht. Als letztes noch einem heidnischen Glauben angehöriges Land gelangten die Litauer schließlich erst 1401 als Ergebnis einer machtpolitischen Heirat zum Christentum.

Kleinere heidnische Gruppen, geführt von Schamanen, haben sich bis heute erhalten. Große Bedeutung haben diese Gruppen nicht. Zu stark war der jahrhundertelange Einfluss, später auch Besatzung, des erzkatholischen Polens.

 

Quellen:

 

Hellmann, Manfred: „Grundzüge der Geschichte Litauens“; Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1966

Litauisches Kulturministerium (Hrsg.): „Litauischer Bernstein“; Baltos Lankos, Vilnius 2007, ISBN 978-9955-23-097-7

Steegen, Carl-Friedrich von: „Unter dem Donnergott Perkunos - Streifzüge durch Ostpreußens Vorgeschichte“; Schild-Verlag GmbH, München 1986, ISBN 3-880014-086-3

 

                                               Die Letten - Ein Vielvölkerstamm

 

Das Lettland der heutigen Zeit gibt es erst seit der Gründung der ersten Republik 1918 und ist eher eine Union der Stämme, die schon in vorchristlicher Zeit existierten:

 

- Die Kuren: Damals wie heute ist Kurland das flächenmäßig größte Gebiet Lettlands. Nach der Trennung von Litauen reichte Kurland im Süden noch viel weiter in heutiges litauisches Gebiet hinein. Dadurch bedingt konnte der Deutsche Orden öfters an der schamaitischen Küste eine Verbindung vom preußischen Memelgebiet zum livländischen Kurland aufbauen. Also Grenzte Kurland mit seinem südlichsten Zipfel an Schamaiten und bis zum Fluss Windau an Litauen.

Nordöstlich dieses Flusses war das lettische Volk der Semgallen ansässig. Ganz im Norden bildete bei Riga die Mündung des Flusses Daugava (Düna) die natürliche Grenze zu dem nördlicheren lettischen Stamm der Liven.

Die Kuren galten als ein sehr kriegerisches Volk und führten stark die Piraterie auf der Ostsee durch. Hierdurch bedingt kamen sie mit Waffen und Rüstungsgegenständen der Wikinger in Kontakt. So stammen auch die meisten Waffen- und Rüstungsfunde im Historischen Museum Lettlands aus Kurland. Diese Gegenstände sind alle der wikingischen Kriegstechnik zum verwechseln ähnlich. Da die Wikinger keinen Handelsposten in Kurland hatten und auch keinen Angriff auf diese Tätigten, ist es ausgeschlossen dass diese Waffensammlung im Museum von den Wikingern stammt. Ebenfalls wurde von den Wikingern Runensymbolik übernommen. Allerdings nicht als Schrift, sondern als Zeichen für Dörfer oder Adelsfamilien. Runenartige Abbildungen ersetzten schnell die preußischen Tiersymbole auf den Schilden und verbreitete sich von Kurland aus über den gesamten lettischen Raum. Selbst heute noch werden diese Runen-Symbole bei Festen von den jeweiligen Abgesandten von Dörfern oder Städten in ihrer jeweiligen Tracht auf langen Stangen vorneweg getragen.

Der Deutsche Orden hatte mit den Kuren große Probleme. Der livländische Schwertburderorden wurde von diesen Vernichtet, so dass er nur noch sich dem Deutschen Orden anschließen konnte. Kurische Truppenverbände neigten dazu, dem Orden in den Rücken zu fallen. So auch geschehen bei der Schlacht von Durben.

- Die Semgaller: Semgallen grenzte im Norden an den Fluss Daugava (Düna), im Westen an Kurland, im Osten an das Gebiet des lettischen Stammes der Selonier und im Süden an Litauen. Auch die Semgallen waren für die christlichen Orden schwierige Gegner mit ihrer von den Kuren übernommenen Waffentechnik. Sie betrieben Hauptsächlich Ackerbau und Viehzucht.

- Die Selonier: Auch Selonien grenzte im Norden an den Fluss Daugava (Düna), welcher dieses Volk von den nördlich lebenden Lettgallen trennte. Im Westen grenzte es an Semgallen, im Süden an Litauen und im Osten an das Reich der Kiewer Rus, später dem russische Fürstentum Polozk. Auch hier überwiegten Ackerbau und Viehzucht.

- Die Lettgaller: Lettgallen war eines der größten Länder im Landesinneren. Seine östliche Grenze berührte ebenfalls das Reich der Kiewer Rus, später die russischen Fürstentümer Pleskau und Polozk. Im Norden an Estland, im Westen an das lettische Volk der Liven und im Süden mit dem bereits genannten Grenzfluss Daugava (Düna) an Selonien und auch Semgallen. Der Name dieses Volkes führt später zu dem Namen Lettland, denn als es um die Gründung der ersten Republik 1918 ging war das Volk der Liven, nach denen sich das Land während der deutschen Besatzung genannt hatte, fast ausgestorben.

- Die Liven: Auf dem Boden des livischen Volksstammes steht die spätere christliche und auch heutige Hauptstadt Riga. In vorchristlicher Zeit war Riga nicht mehr als ein etwas größeres Fischerdorf. Gegenüber von Riga am südlichen Ufer der Daugava war kurisches Gebiet. Anstonsten begrenzte der Fluss vor allem das Gebiet der Semgallen. Im Osten befand sich das Volk der Lettgallen, im Norden die Esten.

Die Liven waren hauptsächlich Fischer und offenbar das für Kämpfe am sperrlichsten ausgerüstete lettische Volk. Das die Deutschen bei Riga an Land gingen war offenbar wohl überlegt. Mit Riga verloren die Liven ihre Hauptstadt und Kern. Verbindungen mit deutschen Siedlern fanden offenbar so oft statt, dass heute von einem livischen Volksstamm in Lettland kaum noch zu reden ist.

 

                                   Priesterschaft und Religion

 

Wie in Litauen übernahmen die Fürsten der jeweiligen lettischen Länder die Stellung des Hohepriesters ein. Hierbei handelte es sich hauptsächlich um die priesterlichen Handlungen für das gesamte jeweilige Volk in heiligen Wäldern und Feldern, bei heiligen Seen, Bergen und Steinen. Ansonsten zogen wie auch heute noch Waidelotten als Wanderprediger durch die Länder und führten die Glaubenshandlungen vor Ort in den regionalen Heiligtümern aus.

Bedingt durch den Bernsteinmangel fällt die Kleidung eines lettischen Waidelotten nicht so prunkvoll aus wie die eines preußischen. Man begnügt sich mit einem Lederband, welches durch die Haare geflochten wird. Als Ersatz für das Bersteinstück über der Stirn werden dann gerne Zähne der heiligen Tiere Wolf, Bär und Elch genommen. Das Gewand des Wanderpredigers besteht aus grobem Leinen, welches man bleicht um nahezu ein weise Färbung zu erhalten. Auch heute noch führt ein Waidelotte für seine weiten Wanderungen einen Trinkbeutel mit, welcher aus der Blase eines Elches hergestellt wurde. Am etwa zwei Meter hohen Wanderstab des Priesters befinden sich Knochen- oder Fellstücke der heiligen Tiere. Auch werden Beutel mit heilenden Kräutern und Gegenstände zur Abwehr von üblem Zauber mitgeführt. Letztere werden überall in Lettland zum kauf angeboten, denn der Glaube an böse Hexen und Zauberer ist sehr stark.

 

Der Glaube der Prußen ist in Lettland zwar auch vorhanden, doch hat er sich nach der Trennung von Litauen anders entwickelt als dort oder in Preußen.

Perkunos ist auch hier der oberste Gott, welcher sich mit Blitz und Donner zeigt und die verstorbenen an seine Tische ruft. Perkunos und Potrimpos wurden allerdings ersetzt durch einzigartige lettische Gottheiten:

- Saule: Die Sonne als Lebensspenderin von allem Leben

- Daugava: Der als Gottheit angebetete zentrale Fluss Lettlands arbeitet mit Saule zusammen, erweckt das Leben in Flüssen, Bächen und Seen und sorgt für trinkbares Wasser.

 

Ein deutlicher Sieg über die preußisch/litauische Fee Laume oder die estnische Göttin Küü. In Lettland wird Laume zu einer bösen Hexe welche in den Sümpfen wohnt und nur auf diese Beschränkt ist. Allerdings treibt sich ihr Diener, der Wassermann, bei Seen und Flüssen herum. Indirekt ist Laume also bei einem Ertrunkenen auch wieder mit beteiligt.

 

Auch bei anderen Gelegenheiten sieht man eine Änderung zum preußischen Glauben und eine Nähe zum estnischen. So werden Laukamaat (Feldmutter) Meschamaat (Waldmutter) und Lopemaat (Viehmutter) oft angebetet. Bei der Anbetung von Lopemaat wird dazu noch ein Opfer an die als heilig geltenden Wölfe dargebracht, damit diese das Vieh verschonen. Bei Meschamaat werden Opfer an die heiligen Bären erbracht, damit man ohne Gefahr in den Wald gehen kann. Gebete an Laukamaat und Opfer an die heiligen Elche sollen vermeiden, dass diese heiligen Tiere sich am Feld gütlich tun.

 

Als der Zisterzienserabt Bischof Berthold von Loccum 1196 erstmals nach Lettland kam (wo der Abt genau landete ist unbekannt, er nennt die Bewohner aber Liven. Also scheint Kurland auszuscheiden), begegnet ihm hier ein Volk mit unwahrscheinlich vielen Göttern. Er berichtet, das „die tumben Eingeborenen“ an Blumengötter, Meerdämonen und Wind- sowie Eisfeen glauben. Erst mit der Vertreibung des Bischofs noch im selben Jahr wird der Heilige Stuhl auf dieses Volk aufmerksam.

 

                                               Die Invasion der Deutschen

 

 Mit einer Kreuzzugsbulle ausgestattet konnte Bischof Berthold bis Anfang 1198 ein Kreuzfahrtheer zusammen stellen und die Invasionsflotte ging im Frühjahr 1198 in der Nähe von Riga an Land. Über das erste Zusammentreffen eines christlichen Heeres mit Balten wird genau Buch geführt: „Die Wilden schrien ihren Schlachtruf „Perkunos“ und schlugen auf ihre Weise mit den Schwertern auf ihre Rundschilde.“

Natürlich hatten die meist zu Fuß kämpfenden Liven mit ihrer aus Leder oder einfachen Tracht bestehenden Ausrüstung keine Chance gegen die schwerbewaffnete deutsche Reiterei. In wilder Flucht endete die Schlacht, die Deutschen hinterher, wobei der Bischof selber mitten unter die Feinde geriet und von diesen in Stücke zerhackt wurde. Der Todestag des Führers der ersten Invasionsstreitmacht nennt den 24. Juli 1198. Die erste deutsche Kolonie bei Riga wird schließlich 1199 aufgegeben. Doch der Heilige Stuhl vergisst das nun nach den ersten Gegnern benannte Livland nicht.

 

Im Auftrag des Heiligen Stuhls und Unterstützt von König Philipp fuhr Bischof Albert von Bremen mit einer Invasionsflotte von 23 Schiffen im April 1200 die Daugava (Düna) hinauf. Noch im selben Jahr wird Riga eingeäschert. Im Sommer 1201 beginnt Albert mit dem Aufbau einer deutschten Stadt auf den Trümmern der heidnischen Siedlung. Riga wird Bischofssitz und Ausgangspunkt für weitere Eroberungsfeldzüge.

Im Jahr 1204 befand sich der Bischof nicht nur mit den Liven, sondern inzwischen auch mit Kuren, Semgallen und Lettgallen im Krieg. Die Kreuzfahrer waren für Angriffe zwar nützlich, weniger aber um eroberte Gebiete zu halten. Um seinen Traum eines päpstlichen Landes im Osten aufrecht erhalten zu können, war als Stütze und Halt der eroberten Gebiete nur ein vom Papst anerkannter christlicher Ritterorden möglich. Papst Innozens III bestätigte noch im selben Jahr die Gründung der „Brüder der Ritterschaft Christi in Livland“, welche sich später den griffigeren Namen „Schwertbruderorden“ nach ihrem Siegel aneigneten.

Nicht nur durch die Hilfe der Kreuzfahrer, sondern auch durch die ständige Bereitschaft des neuen christlichen Ordens gelang es schließlich Bischof Albert, bis 1215 alle lettischen Länder zu Unterwerfen bis auf Nordlivland und Nordlettgallen. Diese wurden schließlich von dem aus Estland anrückenden dänischen König Waldemar II besiegt, der aber später diese Gebiete und Südestland an die Deutschen abgeben musste.

 

                                                           Abschluss

 

Das aus Livland nicht wie von Bischof Albert gewollt ein Land des Vatikans wurde sondern schließlich Ordensland, ist eine andere Geschichte.

Ab 1227 galt jedenfalls ganz Livland als Christianisiert. Das dies nicht der Fall war, zeigen heute die wieder wandernden heidnischen Priester. Die heidnische Religion wird in Lettland zwar akzeptiert, ist aber keine anerkannte Religion oder Staatsreligion.

 

Quellen:

 

Hellmann, Manfred (Hrsg.): „Studien über die Anfänge der Mission in Livland“; Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte Band 17, Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-6697-x

Historisches Museum Lettlands (Hrsg.): „Die Urgeschichte Lettlands - 8500 v. Chr. - 1200“, Das historische Museum Lettlands, Riga 2011

Mannhardt, Wilhelm: „Letto-Preussische Götterlehre - Latviesu-Prusu mitologija“; Latviesu Literäriskäs biedribas izdevums, Riga 1936, Nachdruck 1971 Verlag Harro v. Hirschheydt, Hannover

Schiemann, Ch. Dr.: „Rußland, Polen und Livland bis ins 17. Jahrhundert“; G. Grote`sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1887